Dissertationsprojekt (bei Prof. Dr. Ulrich Volp):
Die anthropologisch-fundierte Tugendkonzeption in der Lux divinitatis Mechthilds von Magdeburg im Vergleich zu Augustinus von Hippo (De civitate Dei) und Ambrosius von Mailand (De Paradiso)
In der Frauenmystik des 13. Jahrhunderts dominiert vor allem Mechthild (von Magdeburg) (1207–1282/1294) als Gallionsfigur. Vermutlich aus dem niederen Adel stammend, wirkte sie als Begine unter dominikanischer Betreuung und lebte zuletzt im Zisterzienserinnenstift Helfta. Sie beschreibt in ihrem Werk die diesseitige Sehnsucht der Seele zu Gott und Christus. Mechthild entwirft zunächst die Konzeption einer in similitudo mit Gott lebenden Seele im Paradies. Diese jedoch zerbrach durch den Sündenfall und führte zu einem diesseitigen Kampf der Seele mit dem Körper um die richtige Haltung vor Gott. Der Weg zur restitutio führt über Stufen der Demut in den Zeiten des Ausharrens im Leben – den beitunge – zurück zu diesem. Dabei spielt auch eine Vielzahl an Tugenden, allen voran die Demut – humilitas, eine essenzielle Rolle für die korrekte Haltung im Diesseits.
Die Zielsetzung des Projekts besteht darin, die Tugenden im Werk Mechthilds in ihrer Funktion für die Seele und Lokalisierung auf dem Weg der restitutio zu bestimmen. Folgende Aspekte sind hierfür zentral: Inwiefern formt der Sündenfall den Status der Seele im irdischen Körper? Wie kann für die Seele im Diesseits eine restitutio zu Gott gelingen und welchen Prädispositionen unterliegt diese? Welche Tugenden sind dazu zu befolgen?
Diese Fragen sind auch für die anthropologischen Konzeption Augustinus’ und Ambrosius’ von zentraler Bedeutung. Ambrosius thematisiert in De paradiso im Rahmen der Schöpfung des Menschen sowohl Beschaffenheit der prälapsalen Menschen auch die Konsequenzen des Sündenfalls für diesen. Auch Augustinus geht in De civitate Dei auf die Beschaffenheit der Bürger der jeweiligen Stadt ein. In einer Kontrahierung von irdischer Stadt – civitas terrena – und göttlicher Stadt – civitas Dei / civitas caelestis thematisiert er im Zuge der Feindschaft der Städte die Beschaffenheit der Bürger in ihrem ursprünglichen Schöpfungszustand. Beide entwerfen eine der Lux divinitatis ähnliche Anthropologie. Stimmt aber die Funktion und Bedeutung der Tugenden in den primär anthropologischen Schriften der Kirchenväter mit derjenigen der Lux divinitatis überein? Dies gilt es anhand eines Vergleiches zur Lux divinitatis herauszufinden.
Die Analyse geschieht in folgenden Schritten. Untersuchungskriterien sollen dazu die (1) prä- und postlapsale Konstitution der Seele, (2) die Funktion der Selbsterkenntnis der Seele infolge des Sündenfalls, (3) der Weg der restitutio der Seele zu Gott im diesseitigen Leben und zuletzt (4) unter dem Augenmerk auf der mimesis die konkreten Tugenden untersucht werden. Dies geschieht zunächst für Mechthilds Werk und im zweiten Schritt für Ambrosius und Augustinus. Durch den Vergleich mit Letzteren sollen so die Parallelen in der Anthropologie herausgestellt und ein Vergleich in der Funktion der Tugenden in den Werken Mechthilds und der genannten Kirchenväter vollzogen werden.
Doch wozu lohnt das Unterfangen?
Mechthilds Werk ist keineswegs für seine tugendethische Konzeption berühmt geworden. Zeitgenössisch für das 13. Jahrhundert wurde ihr Werk vorrangig als Anleitung einer frommen Lebensweise rezipiert. Am universitär geprägten scholastischen Diskurs hingegen war eine Teilhabe für Frauen wie sie nicht intendiert. Wenngleich dies keineswegs diffamierend intendiert war und Visionsschriften weithin anerkannt waren, standen Frauen als Theologinnen im engeren Sinne somit nur wenige legitime Mittel zur Verfügung. Dieser Visionsfokus wirkt bis heute prägend für den Forschungsdiskurs. Darin findet ihr Werk nämlich bisher primär auf seine Gattungsvielfalt, Konzeption, mystische Sprachgestalt und Brautmystik hin Eingang, kaum jedoch unter ethischen Gesichtspunkten. Diese Untersuchung setzt sich daher zum Ziel die bisher wenig erforschte ethisch-anthropologische Komponente des Werkes der Begine im anhaltenden Forschungsdiskurs zu stärken.
Vita
- 1995 Geburt in Mainz
- 2015 Abitur
- 2015 – 06/2021 Studium der Ev. Theologie und Geschichtswissenschaft (B. Ed. und M. Ed.) an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz
- 09/2020 – fortlaufend Ehrenamt als „Botschafterin“ in St. Johannis / Alter Dom, Mainz
- 10/2020 – 03/2021 Hilfskraft am Institut für europäische Geschichte (Prof. Dr. Andrea Hofmann, Dr. habil. Benedikt Brunner)
- 06/2021 Abschluss M. Ed. Evangelische Religionslehre und Geschichte für Gymnasien an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz
- 11/2021 – 01/2023 Referendariat an der Martin-Niemöller-Schule Wiesbaden
- seit Februar 2023 Arbeit am Dissertationsprojekt im Fach Alte Kirchen- und Dogmengeschichte an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz bei Prof. Dr. Ulrich Volp zum Thema: „Die ,frouwe minne’ in rechter Nachfolge Gottes ausüben – Zentrale ethische Leitlinien Mechthilds von Magdeburg im Vergleich zu Augustinus, Ambrosius und Bernhard von Clairvaux“